Beckh Ottmar, KG Nürnberg


Gründung und erste Jahre

Die Firma Ottmar Beckh KG wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 11. November 1938 mit dem Ziel gegründet, den Geschäftsbetrieb der Firma Adolf Schuhmann zu übernehmen. Geschäftsführer und persönlich haftender Gesellschafter war Ottmar Beckh, Kommanditisten waren seine beiden älteren Brüder. Ottmar Beckh, 1906 in Nürnberg geboren, stammt aus einer im Fränkischen verwurzelten Familie. Er machte nach dem Abitur eine Ausbildung für das graphische Gewerbe, absolvierte kaufmännische Kurse, arbeitete in Druckereien, zuletzt als Betriebsleiter mit Prokura.

Die Chance, sich selbständig zu machen, war in den 1930er Jahren groß. Die Kehrseite dieser Chance ist das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Das NS-Regime zwang jüdische Unternehmer, ihren Besitz zu verkaufen. So stand auch die 1905 gegründete Firma Adolf Schuhmann im Stadtteil Gostenhof, Schreyerstraße 5 zum Verkauf. Ihre Inhaber waren Adolf Schuhmann und sein Neffe Alfred Gottlieb. Am 28. November 1938 verkauften sie den Geschäftsbetrieb samt Maschinen, Werkzeugen, Inventar und Vorräten – nicht jedoch Grundstück und Gebäude – an die Fa. Ottmar Beckh. Fabrikgebäude und Büroräume wurden von Beckh gemietet.

Adolf Schuhmann starb im April 1939; seine Witwe, die Kinder und Alfred Gottlieb mit Familie konnten in die USA emigrieren.

Schuhmann fertigte 1938 ein umfangreiches Sortiment an Eisenbahnen, vor allem Uhrwerkbahnen Spur 0, und Zubehör. Das erste Beckh-Sortiment ist weitgehend identisch mit dem letzten Schuhmann-Sortiment, wobei jedoch nicht alle Schuhmann-Bahnen übernommen wurden. Durch die Notwendigkeit, den ersten Beckh-Katalog rechtzeitig zur Leipziger Frühjahrsmesse 1939 fertigzustellen, schieden umfangreiche Umstellungen im Sortiment aus, ebenso eigene Entwicklungen. Die im Internet zu lesende Behauptung “Beckh übernahm die Firma Schuhmann und erweiterte das Sortiment um Militärzüge” ist falsch. Ein neuer, überaus attraktiver Militärzug war von Schuhmann marktreif entwickelt worden und wurde unverändert in den ersten Beckh-Katalog übernommen.

Nach Kriegsbeginn wurden Teile für die Rüstungsindustrie gefertigt, auch weiterhin Eisenbahnen für den Export. Im August 1943 wurde der Betrieb durch Bomben zerstört und als “kriegswichtig” nach Oberkotzau (Oberfranken) verlagert.

Neubeginn nach dem Krieg

Nach Kriegsende wurde aus dem vorhandenen Material zunächst “alles mögliche” hergestellt. Noch in Oberkotzau wurde wieder mit der Fertigung von Eisenbahnen begonnen; mit den unbeschädigt gebliebenen Werkzeugen wurden einige Vorkriegsbahnen neu aufgelegt.

Schon 1938 war geplant, die Fertigung von dem viel zu engen Standort von Schuhmann in die Marthastraße im Stadtteil Mögeldorf zu verlegen, wo die Familie Beckh ein unbebautes Grundstück besaß. Dies wurde nun realisiert. Im Juni 1948 wurde, noch aus “Trümmerziegeln”, die erste Halle fertiggestellt, gerade rechtzeitig vor der Währungsreform.

Der Aufbau wurde unterbrochen durch ein Gesetz der Amerikanischen Militärregierung, wonach alle ehemals jüdischen Unternehmen unter Vermögenskontrolle gestellt werden. Am 1. Juli 1948 wurde ein Treuhänder eingesetzt, Ottmar Beckh war nicht mehr Herr in seinem Unternehmen. Der Treuhänder hatte nur wenig Befugnis, nahezu alle Maßnahmen – sogar die Instandsetzung des durch einen Sturm beschädigten Daches – mußten von Dienststellen des Bayerischen Landesamtes für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung genehmigt werden.

Anfang 1949 erschien der erste, drei Seiten umfassende Nachkriegskatalog. Er enthielt 5 wiederaufgelegte Bahnen von 1939, 12 große und 12 kleine Wagen sowie 3 Artikel Zubehör.

Die Witwe Clara Schuhmann und Alfred Gottlieb hatten einen Antrag auf Rückerstattung gestellt, der im November 1949 bei Ottmar Beckh einging. So war es unmöglich, zu investieren und neue Bahnen zu entwickeln, um die sich abzeichnenden Chancen der Wirtschaftswunderjahre zu nutzen.

Schon nach wenigen Monaten, im Juni 1950, wurde ein Vergleich geschlossen. Clara Schuhmann und Alfred Gottlieb erhielten eine weitere Zahlung. Auschlaggebend für den Vergleich war, daß die Firma aus der Vermögenskontrolle entlassen wurde. Endlich konnte investiert und das Sortiment modernisiert werden.

Ein breites Sortiment an Uhrwerkbahnen

Bei dem guten Geschäftsgang in den Jahren des Wirtschaftswunders konnte der Ausbau des Betriebes zügig fortgesetzt werden. Es entstanden ein kleines Bürogebäude, eine Lagerhalle mit Verpackung und Versand sowie eine weitere Fertigungshalle. Insgesamt betrug die Nutzfläche ca. 1.500 qm. In den Jahren 1951 – 1956 wurde das Sortiment an Uhrwerkbahnen Spur 0 und Zubehör schrittweise ausgebaut; auch eine Bahn in Spurweite 28 mm wurde weiterhin angeboten. Die noch von Schuhmann stammenden Artikel wurden durch Eigenentwicklungen ersetzt.

1956 war der Aufbau eines breiten Sortimentes an Uhrwerkbahnen und Zubehör abgeschlossen. Das Sortiment umfaßte 8 Personenzüge und 7 Güterzüge in verschiedenen Ausführungen, mit einfachen und mit großen Lokomotiven, 2 Wagensortimente mit je 12 großen und kleinen Wagen sowie 12 Artikel Zubehör. Eine Spezialität von Beckh waren die sog. Sortimentsbahnen, also mit verschiedenem Zubehör ergänzte Bahnen. 1956 erschienen auch zwei kleine Batteriebahnen in Spur 0. Es war eine für einen mittelständischen Betrieb beeindruckende Leistung.

Die weitere Entwicklung

Nach 1956 lag der Schwerpunkt bei der Entwicklung elektrischer Bahnen in Spur H0. Sie erschienen 1960 und wurden in den folgenden Jahren um H0-Uhrwerkbahnen erweitert. Das Sortiment umfaßte vier Lokomotiven, 4achsige und 2achsige Güter- und Personenwagen sowie einen Bahnhof und ein Signal.

Das Sortiment an Uhrwerkbahnen Spur 0 blieb in den 1960er Jahren zwar in seiner Breite bestehen, wurde jedoch gestrafft. Große schwere Lokomotiven und Personenwagen mit Puffern wurden nicht mehr angeboten. Wagen, deren Herstellungskosten in den Preisen nicht mehr weitergegeben werden konnten, entfielen, z.B. Wagen mit Schiebetüren, Kranwagen, Wagen mit Holzladungen.

In den 1960er Jahren wurden neue kleine Bahnen entwickelt, darunter eine einfache silberfarbene Bahn mit einer kleinen Stromlinienlok. Neue Deckelbilder wurden entworfen, für die höherwertigen Bahnen gab es Styropor-Verpackungen. Neue Pressen wurden angeschafft.

Einstellung der Produktion

In den 1960er Jahren wurde Blechspielzeug immer mehr von Spielzeug aus Kunststoff verdrängt. Auch die billigen Produkte aus Japan verschärften den Wettbewerb. Die H0-Bahnen bildeten Ende der 1960er Jahre keine wirtschaftlich tragfähige Grundlage mehr, als Märklin, Trix und Fleischmann ihre Startpackungen zu Dumpingpreisen auf den Markt brachten. Die “altmodischen” Uhrwerkbahnen Spur 0 trugen mehr zum Gewinn bei als die “modernen” H0-Bahnen. Bei den Uhrwerkbahnen Spur 0 war Beckh inzwischen größter Hersteller, aber in einem ständig kleiner werdenden Markt. Die finanzielle Situation war noch befriedigend, die Firma nahezu schuldenfrei, das Grundstück unbelastet. Ottmar Beckh, inzwischen 63 Jahre alt, entschloß sich, die Produktion nach der Auslieferung der Aufträge für das Weihnachtsgeschäft 1969 einzustellen. Auf der Spielwarenmesse 1969 wurde noch einmal das vollständige Sortiment ausgestellt, auch alle Uhrwerkbahnen Spur 0. Es war kein “Sterben auf Raten”. Der Verkauf der Maschinen brachte einen beachtlichen Erlös, die Gebäude wurden vermietet. Die Firma Ottmar Beckh KG wurde geordnet liquidiert; die Löschung im Handelsregister erfolgte am 17. Januar 1973. Ottmar Beckh konnte noch einen langen Lebensabend bei guter Gesundheit verbringen; er starb 1997 im Alter von 91 Jahren.

Autor: Dieter Beckh, Sept 2018

Inserat in DSZ Nr 1939-02-II
Übernahme Schuhmann
Inserat in SPIELZEUG Nr 1949-09
Inserat in Spielzeug Export Nr 1956-1
Titelseite Beckh Katalog 1956
Beckh Firmenmarken
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