Vorwort von Kurt Harrer zur 2. Auflage des "Lexikon Blechspielzeug" von 1989

Gestern Spielzeug   heute Sammlerrarität

Wer sich mit dem Sammeln von Blechspielzeug beschäftigen will, braucht Informationen. Die zeitliche Einordnung eines Stückes, seine Herkunft, sein Erhaltungszustand und sein Seltenheitsgrad bestimmen den Wert. Nur wer sich über diese Kriterien Klarheit verschafft, kann ein angebotenes Stück richtig einordnen, seinen Wert bestimmen und  so nötig   Original von Fälschung unterscheiden. In den vergangenen Jahren ist eine Vielzahl von Büchern zum Thema Blechspielzeug erschienen, die jeweils Teilgebiete unter bestimmten Aspekten beleuchten. Für den Sammler sehr wertvoll ist auch eine ganze Reihe von Reprints alter Herstellerkataloge. Wertvoll in zweierlei Hinsicht: einerseits als nützliche Hilfe zur Information über Sortimente und Herstellungszeiträume, andererseits als Ersatz für alte Originalkataloge, die sehr rar und zwischenzeitlich zum eigenständigen Sammlergebiet 'geworden sind.
Trotz dieser Hilfen ist es nur selten möglich, bestimmte Stücke unter Benutzung nur einer Quelle zu identifizieren, da der Sammler oft auf Anhieb gar nicht weiß, unter welchem Stichwort er wo suchen muss. Hier liegt die Aufgabe des vorliegenden Bandes, in dem systematisch in alphabetischer Folge alle Kriterien aufgeführt sind, die den Ratsuchenden auf die richtige Fährte' setzen sollen. Unser Lexikon soll und kann aber nicht Spezialtitel ersetzen, es ist vielmehr in Form und Inhalt so angelegt, dass es bei der Informationssuche eine Leitfunktion einnimmt, Antworten kurz und bündig gibt, die dann, so nötig oder gewünscht, über Spezialwerke vertieft werden können. Nicht zuletzt deshalb ist im Anhang ein ausführliches, nach Sammelschwerpunkten gegliedertes Verzeichnis weiterführender Literatur zu finden, Besonderer Wert wurde bei der Abfassung des Manuskriptes ferner auf die zahlreichen Querverweise gelegt, um so Begriffsketten bilden zu können, die innerhalb des Buches sinnvoll weiterhelfen.
Vieles, was vor einigen Jahren noch achtlos weggeworfen wurde, ziert heute bereits die Vitrinen der Sammler. So hat sich auch das Blechspielzeug, hauptsächlich zwischen 1880 und 1950 produziert, einen großen Liebhaberkreis erobert, der ständig weiterwächst. Wie auf jedem Markt, wo ein begrenztes Angebot steigender Nachfrage gegenübersteht, sind die Preise für altes Blechspielzeug immer rasanter geklettert, ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht. Stücke, die vor zehn Jahren noch für unter DM 100,  zu bekommen waren, werden heute bereits mit vierstelligen Beträgen gehandelt, ausgefallene Raritäten liegen in der Preisklasse eines Luxusautos und sind somit nur noch für wenige erschwinglich. Im Zuge dieser Preisentwicklung tauchen bereits Fälschungen auf, schließlich genügt oft schon das Aufbringen einer seltenen Beschriftungsvariante, um den Wert' eines Modells zu vervielfachen. Auch holten manche Hersteller wieder die alten Werkzeuge aus dem Lager und produzieren limitierte Nachauflagen alter Stücke, wiederum andere fertigen Replica Serien.
Unter dem Begriff Blechspielzeug werden heute viele Aspekte subsummiert, die als Sammelgebiete nicht unbedingt verbunden sein müssen. Es war daher sinnvoll, Abgrenzungen vorzunehmen. Unter Blechspielzeug werden hier alle Erzeugnisse verstanden, die industriell oder manufakturmäßig in Serienfertigung aus bemaltem, bedrucktem oder galvanisiertem Weißblech (tinplate) entstanden sind und als Spielgegenstände für Kinder gedacht waren. Dazu gehören z. B. Eisenbahnen, Schiffe, Autos, Flugzeuge, Bewegungsspielzeuge, Dampfmaschinen und Antriebsmodelle, Metallbaukästen. Bestimmte Produkte wie Puppengeschirr oder ein Teil der sogenannten Lehrmittel wurden zwar aus Blech hergestellt, sind aber lediglich Bindeglieder zu anderen Sammelsektoren, die nicht direkt unter die Rubrik Blechspielzeug fallen. Sie sind dementsprechend zwar erwähnt, aber nicht tiefer bearbeitet worden. Andere Erzeugnisse wie z. B. Spielzeug Figuren aus Mischmasse oder Steinbaukästen sind wiederum keine Blechspielzeuge, haben aber, auch vom Sammlerstandpunkt, engen Bezug zum Hauptthema und sind deshalb ausführlicher aufgenommen worden. Überhaupt wurde Wert darauf gelegt, auch das direkte Umfeld zu beleuchten, weswegen Informationen, z. B. über Kataloge, Preislisten, ältere Literatur, Herstellungsverfahren, Vertriebsformen usw. aufgenommen wurden, da sie wesentlich zum Gesamtbild beitragen. Auch stammen aus dem damaligen Sprachgebrauch Begriffe und Bezeichnungen, die wir z. T. heute nicht mehr kennen bzw. verwenden. Auch ihrer wurde sich angenommen, denn wer kann heute schon etwas mit Worten wie Sciopticon' oder ,Russische Schaukel’ anfangen?
Eines der wichtigsten Kriterien zum Erkennen und Einordnen alter Blechspielzeug Stücke ist das auf den meisten Produkten vorhandene Firmenemblem bzw. der Firmenschriftzug. Blechspielzeug wurde nicht nur in aller Welt produziert, sondern auch weltweit vertrieben. Hier eine lückenlose Obersicht zu schaffen, ist wohl unmöglich. Trotzdem wurde der Versuch unternommen, alle bekannten Marken aufzunehmen und durch weitere, die bis dato noch nirgendwo erwähnt wurden, aber mittlerweile zweifelsfrei als Blechspielzeug Hersteller nachgewiesen werden konnten, zu ergänzen. Gerade auf diesem Gebiet wird auch in Zukunft noch viel Nachforschungsarbeit zu leisten sein und Autor wie Verlag sind für jeden weiterführenden Hinweis dankbar.
Blechspielzeug Sammeln ist ein junges Hobby, das sich in Bewegung befindet. Heute noch nicht sammelnswert erscheinende Dinge haben unter Umständen schon morgen eine eigene Liebhabergemeinde. Darum ist es notwendig, die Entwicklung ständig zu beobachten und sich auch in Nebengebieten umzuschauen. Anregungen dazu sollen die im Anhang aufgeführten Hinweise geben, wie Adressen von Auktionshäusern, die Spezialversteigerungen für Blechspielzeug durchführen sowie eine Liste von Museen mit bedeutenden Spielzeugsammlungen.
Dieses Buch ist ein Kompendium für alle, die schnelle, umfassende, gezielte und übersichtliche Informationen zum Thema Blechspielzeug suchen: Sammler und solche, die es werden wollen, Antiquitätenhändler, aber auch diejenigen, die einfach nur Freude an schönen, dekorativen Dingen haben. Es soll Transparenz in einem weiten, noch nicht völlig erschlossenen Sammelgebiet schaffen und hat seine Aufgabe genau dann erfüllt wenn Sie, lieber Leser, vielleicht schon seit Jahren ein Stück in Ihrem Besitz haben, dessen Einordnung Ihnen nach der Lektüre der folgenden Seiten endlich gelingen wird.

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