Bugattis auf Schienen
Bugatti Triebwagen in Spur 0 als Tinplate-Modelle von CR (Rossignol) und HORNBY FRANCE, sowie das H0 Modell von JOUEF
Vorbilder:
Durch die Weltwirtschaftskrise, die Ende der 1920-er Jahre begann, stockte der Absatz von teuren Luxuslimousinen. Diese Entwicklung ging auch an Ettore Bugatti im Elsässischen Molsheim nicht vorbei. Daher nahm Bugatti 1932 den Auftrag der französischen Staatsbahn „ETAT“ zur Entwicklung eines Schnelltriebwagens, von Bugatti „Wagon Rapide“ oder „WR“ genannt, an. Durch diesen Auftrag konnten die 100 bereits für die Fertigung des Luxus-Automobils „Bugatti Royale“ vorgefertigten Motoren verwendet werden. Von der Luxuslimousine „Bugatti Royale“ wurden nur 6 Exemplare gebaut und lediglich vier davon wurden verkauft. Drei der sechs gebauten Automobile können heute im Museum „Cité de l’Automobile – Musée National – Collection Schlumpf“ in Mülhausen/Elsass, Frankreich besichtigt werden.
In neun Monaten entwickelte Bugatti einen Schnelltriebwagen der diverse technische Anleihen am Automobilbau nahm. Angetrieben wurde der XB 1000 von vier „Bugatti Royale“ Achtzylinder-Reihen-Benzinmotoren mit einem Hubraum von je 12.750 cm³. Die Leistung der einzelnen Motoren wurde für den Einsatz im Triebwagen auf 200 PS bei 2000/min reduziert. Die Motoren waren seitlich in der Mitte des Fahrzeugs angeordnet, direkt unter der über das Dach erhöhten Fahrerkabine. Immer zwei Motoren trieben die mittleren beiden Achsen je eines vierachsigen Drehgestells an. Die Kraftübertragung erfolge hydromechanisch über Hydraulikkupplungen, Umkehrgetriebe und Kardanwellen. Gebremst wurde der XB 1000 mit Trommelbremsen.
Die Karosserie war leicht – das Gesamtgewicht betrug lediglich 35 t – und aerodynamisch konstruiert; der Führerstand befand sich über dem Motorenabteil in der Mitte des Zuges. Der Fahrzeugführer blickte über das Dach des Triebwagens, was vor allem bei den späteren Gelenktriebwagen eine stark eingeschränkte Sicht direkt vor das Fahrzeug mit sich brachte.
Der Prototyp wurde 1933 fertiggestellt und bereits die ersten Testfahrten zeigten seine Qualitäten: er erreichte 172 km/h. Damit war es eines der ersten modernen Hochgeschwindigkeitsfahrzeuge. Dieses erste Modell mit 48 Sitzplätzen wurde im Mai 1933 in den Dienst der ETAT gestellt und bediente die Strecke Paris–Deauville mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 116 km/h. Am 30. Juli 1933 reist der Staatspräsident Albert Lebrun mit dem Triebwagen zur Einweihung des neuen Hafens nach Cherbourg. Seither wird diese Fahrzeuggattung „Présidentiel“ genannt.
Durch die Anforderungen die die Serienfertigung von Eisenbahn-Triebwagen mit sich brachte wurde aus dem bis dahin manufakturähnlich strukturierten Hersteller einer kleinen Zahl hochwertiger Luxuslimousinen ein echter Industriebetrieb.
Blick ins Werk in Molsheim, 1933.
Im Februar, Juli und Oktober 1933 wurden drei weitere Fahrzeuge an die ETAT ausgeliefert und fünf weitere bestellt. Am 24. Oktober 1934 erreichte ein Triebwagen zwischen Le Mans und Connerré eine Höchstgeschwindigkeit von 192 km/h.
Die Triebwagen wurden inzwischen auch auf dem Streckennetz der „Compagnie des Chemins de fer de Paris à Lyon et à la Méditerranée“ (PLM) und der „Réseau ferroviaire d'Alsace-Lorraine“ (AL) eingesetzt. Ab 1938 gingen alle Triebwagen in den Besitz der neu gegründeten SNCF über.
Die Gelenktriebwagen wurden bereits 1952 außer Dienst gestellt, die anderen Modelle 1958. Der Benzinverbrauch war nicht mehr zeitgemäß und die Zuverlässigkeit hatte in den letzten Betriebsjahren stark gelitten. Lediglich das Modell XB 1008 der SNCF (ursprünglich ZZy 24408 der ETAT) ist erhalten und wird heute im Eisenbahnmuseum „Cité du Train“ in Mülhausen ausgestellt. Dieses Fahrzeug wurde von der SNCF bis 1970 als Fahrzeug für Signaltests benutzt, 1980 restauriert und in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt.
Ab 1934 wurden die Triebwagen mit acht statt vier Türen und einer Anhängevorrichtung ausgerüstet, die es ermöglichte, Beiwagen mit 62 Sitzplätzen zu ziehen. Aus einer Bestellung von weiteren 12 Triebwagen ließ die ETAT drei zu Anhängern umbauen, deren Motorenabteil ebenfalls mit Sitzplätzen ausgestattet wurde.
1935 erschien das Modell „Standard“ oder „Wagon Léger“ (WL), das mit nur zwei Motoren und 36 Sitzplätzen ausgestattet war; die ETAT hatte den exorbitanten Benzinverbrauch der Vier-Motoren-Version bemängelt. Der Motor des Bugatti Royale soll um 40 Liter auf 100 km verbraucht haben. Diese Triebwagen konnten zu Paaren gekoppelt werden, konnten aber keine anderen Wagen ziehen.
Ebenfalls 1935 wurde der zweimotorige Triebwagen von 19,30 m auf 21 m verlängert („Modell Allongé“); die Anzahl der Sitze wurde auf 44 oder 52 erhöht. Von diesem Modell wurden zehn Stück gebaut.
1936 wurde der „Allongé“ auf 25,38 m verlängert („Modell Surallongé“) und mit 73 Sitzen ausgestattet. Von diesem Fahrzeugtyp wurden 15 Stück gebaut.
1936 und '37 wurden sieben dreiteilige Gelenkzüge mit einer Länge von 60 m gebaut, die je 144 Passagieren Platz boten. In diesen Zügen wurden an beiden Enden aus Sicherheitsgründen Führerstände für Rangierfahrten eingebaut. Für die PLM wurden drei zweiteilige Gelenkzüge gebaut. Alle Gelenkzüge waren mit Zweiganggetrieben von Cotal ausgerüstet, die das Anfahren erleichterten.
1937 bestellte die ETAT noch einmal zwei Beiwagen mit je 57 Sitzplätzen.
Nach 1945 wurden alle „Standard“ zu Beiwagen umgebaut.
Insgesamt wurden 88 Triebwagen und fünf Beiwagen hergestellt:
- 9 WR einteilig „Présidentiel“ für die ETAT,
- 3 WR zweiteilig für die PLM,
- 7 WR dreiteilig (2 ETAT, 2 AL und 3 SNCF),
- 13 WL kurz (5 ETAT, 2 AL und 6 PLM),
- 28 WL „Allongés“ (18 PLM und 10 ETAT),
- 28 WL „Surallongés“ (15 ETAT, 1 AL, 10 PLM und 2 SNCF),
- 5 Beiwagen für einteilige WR der ETAT.
Natürlich zogen die Spielwarenhersteller schnell mit entsprechenden Modellen nach. Die bekanntesten zeitgenössischen Spur 0 Modelle wurden von CR (Charles Rossignol) und HORNBY FRANCE hergestellt.
JOUEF bot von 1986 bis 1996 ein maßstäbliches Kunststoffmodell des 1-teiligen Triebwagens X 1008 der SNCF in Spur H0 an.
Bugatti Modelle von CR Charles Rossignol.
Die Firma Charles Rossignol ist einer der ältesten, bekannten Hersteller von Blechspielwaren in Frankreich. CR wurde 1868 als Roitel, R. & Cie gegründet. CR stellte neben anderem Blechspielzeug schön lithographierte Modelleisenbahnen der Spurweiten 28 mm (ähnlich Spur S), 0 und I her. Die Qualität der CR Eisenbahnen war nicht mit der der „großen Marken“ JEP und HORNBY vergleichbar, dafür waren die CR Eisanbahnen preiswert und farbenprächtig lithographiert. Ab 1950 wurden die preiswerten 0-Bahnen auch unter dem Markennamen „ECLAIR“ vertrieben. CR erlosch im Jahre 1962, nach fast 100-järiger Firmengeschichte. Firmenzeichen: „CR“ und „ECLAIR“.
Die Modelle der CR20 Reihe waren einfache Uhrwerkspielzeuge, die nur vorwärts auf dem mitgelieferten Schienenkerie fahren konnten. Durch die eingestellten Räder war ein Einsatz auf anderen Anlagen nicht möglich.
CR begann seine Produktion von uhrwerkbetriebenen Triebwagenmodellen 1935. Zunächst wurden nur einfachste Modelle in der Spurweite 28 mm hergestellt. Die Uhrwerke liefen meist nur in eine Richtung, eine Bremse fehlte meist ebenso. Die Achsen waren schräg gestellt, so dass die Triebwagen nur auf gebogenen Schienen in einer Richtung fahren konnten. Außerdem war die Qualität sprichwörtlich schlecht. Dafür waren die CR Züge sehr preiswert und ermöglichten es dadurch auch ärmeren Familien für ihre Kinder eine Eisenbahn zu erwerben. In der 28 mm Spur wurden 1-, 2-, und 3-teilige Triebwagen angeboten. Je nach Anzahl der Elemente besaßen die Triebwagen Längen von 14, 26 und 40 cm.
CR Bugattis mit Uhrwerkantrieb. Der blaue CR90 besitzt eine elektrisch beleuchtete Strinlampe, die dafür benötigten Batterien wurden im roten "Dachkoffer" untergebracht.
Ab 1939 folgten größere Modelle in Spur 0. Je nach Anzahl der Elemente waren sie 24, 44, oder 63 cm lang. In Spur 0 bot CR, neben dem hauptsächlich verwendeten Uhrwerkantrieb, auch einige Modelle mit Elektroantrieb an. Einige Uhrwerkmodelle erhielten eine elektrische Stirnlampe. Den Strom dafür lieferten Taschenlampenbatterien. Kurios gelöst war die Unterbringung der Batteriehalter. Diese wurden auf den stromlinienförmigen Wagenkörper als plumpe Kofferaufbauten oben auf das Dach gesetzt. Anscheinend versprach man sich von der Licht-Funktion mehr Käufer als von der reinen Ästhetik der Fahrzeuge selbst. Wie alle CR Produkte sind die Bugatti Triebwagen farbenprächtig lithographiert. Einige der Bugatti Triebwagen wurden auch nach dem 2. Weltkrieg bis ca. 1960 hergestellt. 1962 stellte CR alle Aktivitäten ein. Am Sammlermarkt werden die CR Triebwagen nur wenig beachtet und sind daher oft noch sehr preiswert zu bekommen. Neben den „Eisenbahnern“ stellen sich auch die Sammler von Bugatti Automodellen gerne diese einfachen und bunten Modelle in die Vitrine, denn trotz allem sind es „echte“ Bugattis.
Der schön lithographierte 1-teilige CR Triebwagen mit Elektroantrieb.
Bugatti Modelle von HORNBY FRANCE:
Im Jahre 1901 erhielt der Engländer Frank Hornby das Patent für einen Metallbaukasten. 1903 eröffnete Frank Hornby in Liverpool eine Fabrik zur Herstellung. Dieser, unter dem Markennamen „MECCANO“ angebotene Metallbaukasten kann als Urvater aller Metall-Konstruktionsbaukästen angesehen werden. Der bekannte MÄRKLIN Metallbaukasten z.B. beruht auf dem Patent von Frank Hornby. 1920 stellte Hornby erste, zerlegbare Uhrwerkbahnen in Spurweite 0 her. Dieser ersten Eisenbahn folgten unzählige, technisch hervorragende und wunderschön lithographierte Bahnen in den Spurweiten 0, 00 und H0, außerdem Baukasten-Autos, Flugzeugmodelle sowie die berühmten DINKY TOY Druckgussmodelle. HORNBY geniest in den angelsächsischen Ländern einen ähnlich legendären Ruf wie MÄRKLIN in Deutschland.
In Frankreich startete HORNBY bereits kurz nach dem 1. Weltkrieg. Einer um 1919 gegründeten Vertriebsniederlassung in Paris folgte um 1925-26 eine erste Fertigung in vier Stockwerken eines Bürogebäudes in der Rue Rébéval 78 im 19. Pariser Arrondissement. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden zog HORNBY 1933 in ein neues, größeres Werk in Bobigny. Während man zuerst hauptsächlich aus England gelieferte Modelle durch andere Aufbauten und Accessoires „französifizierte“, entwickelte man in Bobigny im laufe der Zeit ein komplett eigenständiges Sortiment. 1958 waren in Bobigny ca. 500 Arbeitnehmer beschäftigt. 1964 wurde HORNBY von der Firma Lines Brothers (z.B. Marken „TRIANG“ und „VB“) übernommen, die Produktion von Eisenbahnen in Spurweite 0 wurde, zugunsten der Spurweiten H0 und TT, eingestellt. 1973 wurde das Werk in Bobigny geschlossen. Die heutige HORNBY Group gehört zu den ganz Großen im Modelleisenbahn Geschäft. Zu ihr gehören heute unter anderem die bekannten Marken ARNOLD, JOUEF, LIMA, RIVAROSSI und ELECTROTREN. Soweit bekannt erfolgt die Fertigung ausschließlich in Asien.
Einteiliger Triebwagen mit Elektroantrieb in ETAT Ausführung.
Drei 2-teilige Triebwagen, hinten ETAT Uhrwerkausführung, mitte PLM elektrisch, vorne SNCF Uhrwerkausführung.
Die Bugatti Triebwagen von HORNBY FRANCE sind von der Ausführung her fast genauso naiv und einfach wie die Modelle von CR, aber von wesentlich besserer Qualität. HORNBY FRANCE bot ab 1935 den 1-teiligen Triebwagen in uhrwerk- oder elektrischer Ausführung an. Die Länge betrug 23 cm. Angeboten wurde eine ETAT Ausführung in rot/creme sowie eine PLM Ausführung in blau/creme. 1936 folgten die zwei- und dreiteiligen Ausführungen, jeweils mit Uhrwerk oder Elektroantrieb und jeweils in den ETAT oder PLM Farben. Der 2-teilige Zug misst 40 cm, der 3-teilige Zug 58 cm. Nach dem 2. Weltkrieg erschien 1953 nochmals eine 2-teilige Version in rot/creme, diesmal allerdings mit „SNCF“ anstelle von „ETAT“. Auch jetzt konnte man zwischen Uhrwerkantrieb und Elektroantrieb wählen. Jedoch bereits 1957 wurden die Triebwagen wieder aus dem Programm genommen. Damit endete die Geschichte der Bugatti Triebwagen bei HORNBY FRANCE. Auf dem deutschen Sammlermarkt werden die Bugatti Modelle von HORNBY FRANCE selten angeboten. Wenn sie jedoch auftauchen und zu einem realistischen Preis angeboten werden sind sie schnell verkauft, speziell die Ausführungen mit Elektroantrieb sind sehr begehrt. Am seltensten sind die Ausführungen in PLM Lackierung sowie die 3-teiligen Varianten.
Alle drei Ausführungen im Überblick, alle mit Elektroantrieb.
Das H0-Kunststoffmodell von JOUEF:
Von 1986 bis 1996 bot Jouef ein vorbildgetreues H0-Modell des X 1008 SNCF unter der Katalog-Bestellnummer 8602 / 860200 an. Das 26,8 cm lange 2-Leiter Gleichstrommodell besteht aus Kunststoff und wiegt 260g. Die beiden Drehgestelle besitzen vorbildgerecht jeweils 4 Achsen mit kleinen Rädern. Angetrieben wird das Modell durch einen 5-poligen 12V Motor, der auf ein Drehgestell wirkt. Die LED Stirnbeleuchtung wechselt mit der Fahrtrichtung. Dem Modell liegen Griffstangen und Spiegel als Zurüstteile bei, diese sind auf den Fotos nicht montiert.
Seitenansicht und Ansicht von unten.
Literaturverzeichnis:
- Clive Lamming, Cent ans de trains jouets en France, Verlag: la vie du rail, 1981
- Clive Lamming, Le Coin du Collectionneur, Les autorails Bugatti
- Kurt Harrer, Lexikon Blechspielzeug, alba Verlag
- Werbeanzeige: „BUGATTI Automobile, Triebwagen, Molsheim (Elsaß)“, herausgegeben 1999 von Adrien Maeght, Paris.
Links:
Museum „Cité de l’Automobile – Musée National – Collection Schlumpf“ in Mülhausen/Elsass, Frankreich, Datum: 03.05.2015:
Wikipedia, Datum: 03.05.2015:
de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Lokomotiven_und_Triebwagen_der_SNCF
http://fr.wikipedia.org/wiki/Autorail_Bugatti
http://de.wikipedia.org/wiki/Bugatti_Royale
de.wikipedia.org/wiki/Bugatti-Triebwagen
JOUEF Modell, Datum: 03.05.2015: